Geschichten


Auf dem Christkindlesmarkt

 

Um 19:30 Uhr ist es eigentlich schon dunkel, aber über dem Nürnberger Christ­kindles­markt ist der Himmel von unzähligen Lichtern so hell erleuchtet, dass man meinen kann, es ist Tagesanbruch. Zusätzlich wird dieser Effekt aber auch noch durch die herrlich angestrahlten Schneeflocken verstärkt.
Während ich mich durch die riesige Menschenmenge kämpfe und versuche, hier und da einen Blick auf die ausgelegten Waren in den Buden zu erhaschen, schreit eine Frau nach ihrem Sohn, den sie wohl in dem Trubel verloren hat. Hoch über dem Markt trohnt an der Frauenkirche der frisch restaurierte Kaiser Karl I. Ich dränge mich zu einem Bratwurststand, um mir mit "Zwa im Weckla" den Bauch etwas zu füllen.
Ich gehe weiter durch die Budenstadt, bis ich zu der wunderschönen Krippe komme. Sie ist vor lauter Menschen, vor allem Kindern, kaum zu sehen. Die Kleinen ver­suchen immer wieder, mit Geldstücken die Figuren zu treffen. Der ganze Krippen­boden ist übersät mit Geld und ein Weiser aus dem Morgenland steht schon ganz schief. Ein kleiner Windstoß bringt süßlichen Glühweinduft zu mir herüber, der es mir warm ums Herz werden lässt.
Gerade beobachte ich, wie ein Mann, der in eine grüne Pelzjacke verpackt ist, dabei ist, nebenan an einem Stand ein "Zwetschgamännla" zu kaufen. Auch sie sind eine Spezialität des Christkindlesmarktes. Wie jedes Jahr ist auch diesmal das neue Rathaus mit Lichterketten geschmückt, die in sanften Bögen die Hauswand verzieren.
Ich kann viele Menschen sehen, die lustig blinkende Zipfelmützen tragen. Überall wird Gebäck verkauft und mir wird angeboten, dass ich etwas Adventsbrot probiere. Unaufhörlich schneit es vom Himmel herab, einige Flocken fallen auf mein Gesicht und schmelzen zu Wasser. Zwischen den Häusern hängen die berühmten Rausch­gold­engel, die mich lächelnd angucken.
Ein unwiderstehlicher Geruch von Marzipan steigt mir in die triefende Nase. Ich drängle mich durch laut schwatzende Passanten und kann einige Fetzen Englisch heraushören. Trotz Handschuhen stecke ich meine Hände in die Jackentaschen, um meine Finger nicht ganz erfrieren zu lassen. Ich komme an Ständen mit Holz­spielzeug und Krippen vorbei, bei denen immer irgendetwas klappert oder leuchtet. Jetzt bleibe ich vor einem Stand mit Süßigkeiten stehen, denn vom ihm strömt der Marzipanduft aus. Die Auslagen bestehen aus Plätzchen, besonderen Broten, gerösteten Mandeln und vielen anderen Leckereien. Einige Kinder betteln bei ihren Eltern, wahrscheinlich, damit diese ihnen etwas zum Naschen kaufen. Die Eltern erwidern nur unverständliche Laute und drängen ihre Kinder zum Weiterlaufen. Ich tue dasselbe, weil ich nicht mehr genug Geld für so etwas habe. Die Temperaturen lassen hier jeden frieren, doch die Angebote gleichen die Kälte wieder aus.
Ich verlasse den großen Christkindlesmarkt und schaue mir noch den Markt der Partnerstädte Nürnbergs und den Kinderweihnachtsmarkt an.

Andreas Marsing (2003)


Author: Peter Marsing   (Letzte Änderung: 20. Dezember 2003)